Dass die TIROLER VERSICHERUNG bei ihrem Neubau ausgerechnet auf Holz setzt, ist wohlüberlegt. Wie sich dieser Baustoff von anderen unterscheidet und welche Vorteile das Bauen mit Holz mit sich bringt – all dies und mehr weiß Manfred Saurer, Vorstand von proHolz Tirol.
„Die Entscheidung für Holz ist kein Marketinggag“
Wie steht es aktuell um die Holzbaubranche?
MANFRED SAURER: Die Holzbaubranche verzeichnet einen kontinuierlich wachsenden Anteil am Gesamtbauwesen. Auch wenn im Augenblick die Baubranche aufgrund von Kostensteigerungen und vor allem nicht ganz verständlichen Einschränkungen bei Kreditvergaben Einbrüche erlebt, ändert das natürlich nichts am Bedarf an Wohnflächen und auch an Industrie- und Gewerbeflächen. Es wird also über kurz oder lang zu einem Nachholbedarf kommen, den wir natürlich zu einem großen Teil in Holzbauweise machen möchten.
Wie trägt proHolz Tirol dazu bei, Holz als Baustoff populärer zu machen?
Wir von proHolz Tirol versuchen, die Wertschöpfungskette Holz von den Waldbäuer*innen über Forstwirtschaft und Holzindustrie bis hin zum verarbeitenden Gewerbe und vielen anderen gesamtheitlich zu unterstützen. Ein Themenschwerpunkt ist beispielsweise die Holzinformation, um einen möglichst breiten Kreis wie Bauinteressierte, Baufachleute und Entscheidungsträger*innen mit Informationen zu unterstützen. Verschiedene bei proHolz Tirol angegliederte Kooperationsgruppen beschäftigen sich unter anderem mit Produktentwicklungen, Vernetzungen und versuchen Holzanwendungen in die Breite zu bringen.
Die Holzausbildung ist wohl der wichtigste Zukunftsbereich – von Erlebnistagen und Schulveranstaltungen für Kinder, Weiterbildungsangeboten bis zur Unterstützung der Universität Innsbruck versuchen wir alles, um die zunehmend nötigen bestausgebildeten Mitarbeiter*innen, Planer*innen und Ingenieur*innen zu bekommen.
Wie unterscheidet sich der Baustoff Holz von anderen Materialien wie etwa Beton oder Stahl?
Jeder Baustoff hat sein optimales Anwendungsgebiet. Holz war in den vergangenen Jahrhunderten das dominierende Baumaterial, das vor allem durch den Zweiten Weltkrieg stark von Beton und Stahl verdrängt wurde. In mühsamer Kleinarbeit gelingt es nun laufend, den Holzanteil im Bauwesen wieder langsam an den ihm zustehenden Platz zurückzubringen. Wir leben in einem Land mit sehr starker Holzindustrie und einem wunderbaren Wald, der den nachhaltigen Rohstoff Holz mehr als zur Genüge wachsen lässt.
Holz ist der einzige Baustoff, der geerntet werden kann, ohne dass er weniger wird, und das vor unserer Haustüre. Alle anderen Baustoffe sind bei ihrem Einsatz unwiederbringlich verloren oder müssen mit hohem Energieaufwand recycelt werden.
Welche Möglichkeiten gibt es, Holz nachhaltig zu beschaffen und zu verwenden?
Gerade wir in Tirol haben eine sehr leistungsfähige und exportorientierte Holzindustrie, die sich hauptsächlich mit Rohstoff aus unseren Wäldern versorgt. „Unsere Wälder“ bedeutet hier nicht nur Tiroler Wald, sondern umfasst einen Umkreis von rund 300 Kilometern, um Transportwege kurz zu halten. Für die Tiroler Holzbauer*innen ist es daher relativ einfach, sich mit nachhaltigem Holz zu versorgen.
Bringt der Holzbau auch Herausforderungen mit sich, beispielsweise in Bezug auf Feuchtigkeitsschutz oder Wetterbedingungen?
Es ist kein Geheimnis, dass organische Stoffe und Feuchtigkeit einander nicht unbedingt lieben, aber Probleme gibt es dadurch nur, wenn bei der Planung oder Ausführung Fehler gemacht werden – das gilt aber für alle Baustoffe.
Wenn Gebäude in Holz sauber geplant, ausgeführt und gewartet werden, steht einer langen Lebensdauer nichts im Wege, schließlich gibt es auch Beispiele von Holzgebäuden, die bis zu 500 Jahre alt sind.
Wie beeinflusst Holz den ökologischen Fußabdruck eines Bauprojekts im Vergleich zu anderen Materialien?
Dass Holz CO2-neutral ist und in Gebäuden noch zusätzlich über lange Zeit das CO2 zusätzlich gespeichert wird, ist Fakt. Natürlich benötigt auch der Holzkreislauf Energie für Verarbeitung und Transporte. Der weitaus größte Anteil an Energie in der Holzverarbeitung wird dabei für die Holztrocknung verwendet, diese Energie kommt aber ausschließlich aus der Biomasse, die als Sägerestholz anfällt. Es gibt so gut wie keinen Betrieb in der Holzkette, der einen Gasanschluss ha t, und viele größere Betriebe erzeugen bei der Wärmegewinnung für die Trocknung gleich auch noch elektrische Energie.
Dass Holz als ökologischer Baustoff weit besser abschneidet als alle anderen Baustoffe, ist sicherlich kein Geheimnis. Unsere Aufgabe für die Zukunft ist es, auch für alle anderen Gewerke im Bauwesen ökologisch vertretbare Produkte zu finden.
Inwiefern wirkt sich der Baustoff Holz auf die Energieeffizienz eines Neubaus aus und welche Möglichkeiten gibt es, Holzabfälle aus Bauprojekten anschließend nachhaltig zu verwerten?
Der Holzbau hat bei gleichen Dämmwerten deutlich schlankere Wandstärken, dadurch entstehen größere Nutzflächen. Alternativ kann bei gleicher Nutzfläche bedeutend mehr gedämmt werden. Abgesehen davon ist es im Holzbau üblich, mit organischen Dämmstoffen wie Holzweichfaser, Hanf oder Zellulose zu dämmen, während beim Massivbau nahezu ausschließlich Erdölprodukte als Dämmung zur Anwendung kommen.
Hat ein Holzgebäude seine Dienste geleistet, kann Abbruchholz zerkleinert und in Holzwerkstoffplatten verwendet werden, sofern es nicht behandelt ist. Ansonsten lässt es sich jedenfalls thermisch verwerten. Außerdem gibt es bereits mehrere Versuchsprojekte, Abbruchholz sinnvoll industriell für höherwertige Anwendungen aufzubereiten, das wird in Zukunft ebenfalls definitiv kommen.
Der Neubau der TIROLER VERSICHERUNG gilt diesbezüglich als Leuchtturmprojekt. Welche Bedeutung hat es für die Holzbauindustrie, dass dieser Bau mit Holz umgesetzt wird?
Dass sich gerade die TIROLER VERSICHERUNG bei ihrem neuen Gebäude für den Baustoff Holz entschieden hat, ist für die Holzb auer *innen von immenser Bedeutung.
Die TIROLER VERSICHERUNG ist in unserem Land als bodenständiges und ehrliches Unternehmen bekannt und die Entscheidung für Holz ist weder ein Marketinggag noch der PR des Unternehmens geschuldet, sondern aus tiefster Überzeugung auf ein nachhaltiges Bauwerk gefallen. Es war auch unabdingbarer Wunsch des Bauherrn, den Holzbau in den Räumen ablesbar zu machen und nicht durch Platten zu verkleiden. Das Gebäude hat neben dem innovativen Holzbau auch eine Photovoltaikfassade an der Südseite und eine begrünte Fassade an der Nordseite. Dies dient einerseits der Energieerzeugung, andererseits unterstützt der Fassadenbewuchs die Kühlung der Umgebung.
Inwieweit hat die Bau(m)stelle der TIROLER VERSICHERUNG das Potenzial, zu einem Vorbild für den Holzbau in städtischen Gebieten zu werden?
Der Neubau der TIROLER VERSICHERUNG ist ein Holzbauprojekt mit dem Potenzial, vielen zukünftigen Projekten als Vorbild zu dienen. Es handelt sich um den ersten Holzbau in Innsbruck im Hochhausbereich und demonstriert, dass das auch in Holz möglich ist. Untermauert wird dies dadurch, dass der Bauherr der Tiroler Brand versicherer ist und die Gefahr eines Brandes im Holzbau wohl am besten einschätzen kann, zumal gerade der TIROLER VERSICHERUNG alle Statistiken vorliegen, die beweisen, dass Holzbauten kein erhöhtes Brandrisiko gegenüber Massivbauten aufweisen.
Aber auch der sehr attraktive Platz mitten in Innsbruck und die gelungene Architektur werden ihr Übriges dazu beitragen, dass dieses Gebäude als Vorbild für hohe Holzgebäude dienen wird.
Danke für das Gespräch.
Interview: Leonie Werus ― Foto: Gerhard Berger
Zur Person:
Manfred Saurer, Holzbaumeister aus Höfen im Tiroler Außerfern, ist seit 2020 Vorstandsvorsitzender des Vereins proHolz Tirol. Gemeinsam mit seinem Bruder leitete er einen Holzbaubetrieb mit rund 100 Mitarbeiter*innen.